Lufttaxis: Die Überflieger im Verkehr

Ist es ein Vogel? Ist es ein Flugzeug? Nein, es ist ein Flugtaxi. Diese sind längst nicht mehr Science-Fiction-Filmen vorbehalten, sondern drängen immer stärker in unseren Mobilitätsmix – unterstützt von Geld und ausgeklügelten Geschäftsideen.

Paar hält Taxi und Flugzeug aus Papier in die Luft
Credit: © Adobe Stock | deagreez

Staus machen Sie wütend? Bevor Sie in die Luft gehen, steigen Sie doch lieber in die Luft. Denn schon bald schwirren Flugtaxis über die städtischen Dächer und transportieren Menschen und Waren von A nach B.

Das erinnert Sie vielleicht dezent an Science-Fiction-Filme im Stil von “Das fünfte Element” und verübeln können wir es Ihnen nicht. Doch fliegende Autos sind, zumindest als Prototypen, längst Realität und könnten schon bald in den kommerziellen Betrieb starten.

Ein Himmel voller Flugtaxis

Es gibt eine ganze Reihe von Anbietern, die daran arbeiten. Das Münchner Startup Lilium ließ Anfang Mai 2019 einen anderthalb Tonnen schweren Prototyp erfolgreich vertikal in die Luft steigen und dort an der Stelle schweben. Klingt nach einem Hubschrauber, sieht aber nicht danach aus: Der Lilium Jet besitzt Tragflächen und 36 vollelektrische Jetmotoren. Das macht ihn leiser und energieeffizienter (und lässt ihn futuristischer aussehen) als einen Helikopter.

Doch Lilium ist längst nicht der einzige Hersteller. Joby Aviation, Volocopter, AeroMobil, Kittyhawk und Zee.Aero sind nur einige der Firmen, die hoffen, das erfolgreichste Modell am Markt zu platzieren. Auch bereits etablierte Firmen nehmen das Konzept sehr ernst. Mobilitätskonzern Uber, die Flugzeugbauer Airbus und Boeing sowie Autokonzerne wie Daimler und Porsche befinden sich im Rennen.

Gut zu wissen

Fluggeräte, die vertikal starten und landen, werden VTOL (vertical take-off and landing) genannt.

Ernsthafte Konzepte, ernsthafte Kriegskassen

Was genau soll mit den Flugtaxis passieren? Einige Anbieter sehen sich hauptsächlich als Hersteller und überlassen anderen den Betrieb. Volocopter etwa verkauft seine Maschinen an Dubai, das sie in Zukunft als Lufttaxi-Flotte einsetzen möchte.

Doch viele Firmen, darunter Volocopter, Lilium, Airbus oder Uber sehen sich als zukünftige Dienstleister: Sie wollen nicht nur die Fluggeräte verkaufen, sondern einen Ridesharing-Dienst drumherum aufbauen.

Diese Breite an Geschäftsmöglichkeiten sorgt für Aufmerksamkeit unter Investoren. Wurden 2015 nur rund 45 Millionen Dollar Wagniskapital in Flugtaxi-Firmen gesteckt, waren es seit 2016 bereits 140 Millionen Dollar pro Jahr. Und 2019? Da gab es erst im Oktober Meldungen, wonach die Firma Lilium allein bis zu 500 Millionen Dollar an Finanzierung aufnehmen möchte.

Gut zu wissen

Ende Oktober 2019 soll in Singapur der erste öffentliche, bemannte Testflug eines Lufttaxis stattfinden. Auch der dazugehörige “Flughafen” der britischen Firma Skyports wird getestet.

Per Smartphone in die Lüfte

Wie können Sie sich also die Lufttaxi-Revolution vorstellen? Denken Sie an einen On-Demand-Flugtaxi-Service, bei dem Sie per Smartphone ein Flugtaxi aus einem dichten Netz an Start- und Landeplätzen ordern.

Der Preis soll dabei dank der hohen Effizienz der Technologie mit einem klassischen Taxi vergleichbar sein, zumindestens in fünf bis zehn Jahren, so die Schätzung der Firmen.

Das hätte das Potenzial, den Aktionsradius von Menschen deutlich zu erhöhen. Für das Abendessen kurz in die Berge fliegen? Etwas weiter von der Arbeit entfernt wohnen? Kein Problem mehr.

Gut zu wissen

Mit einem Lufttaxi könnten Sie innerhalb von fünf Minuten vom Flughafen Wien-Schwechat in die Wiener Innenstadt gelangen.

Viel Potenzial in den Lüften

Das Potenzial von Flugtaxis ist hoch. Sie könnten die urbane Mobilität wortwörtlich in eine neue Dimension heben, deutlich effizienter und klimaverträglicher als normale Autos sein und dennoch für einen großen Teil der Bevölkerung zugänglich bleiben.

Eine weitere Attraktivität des Konzepts ist, dass der Himmel ziemlich leer ist: Das Risiko für Kollisionen ist (verhältnismäßig) niedrig und Autopiloten für Flugzeuge sind längst etabliert.

Branchenexperten vermuten deswegen, dass wir selbstfliegende Flugtaxis noch vor selbstfahrenden Autos sehen könnten. Auf Piloten verzichten zu können würde einen Flugtaxi-Service noch günstiger machen und mehr Menschen preislich ermöglichen.

Gut zu wissen

In Wien-Favoriten konnten Medienvertreter 2016 das “EHang 216”-Lufttaxi ausprobieren.

… und viele Fragen zu lösen

Gleichzeitig gibt es noch zahlreiche Fragen. Wie nah soll das Flugtaxi an Hindernisse wie Straßen und Gebäude fliegen dürfen? Wie können Kollisionen mit Vögeln oder Drohnen verhindert und im Falle der Fälle überstanden werden? Müssen für die VTOL-Maschinen dezidierte Landeplätze gebaut oder können Hochhausdächer genutzt werden?

Die Flugtaxi-Zukunft stellt Ingenieure, Gesetzgeber und auch Versicherungen vor schwierige Fragen. Doch das Interesse ist da. In Österreich und auch in Deutschland sprechen sich zahlreiche Politiker dafür aus, schnell die passenden rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.

In Österreich kreieren die Flugtaxis sogar bereits Arbeitsplätze: 50 Leute arbeiten im Innviertel für den chinesischen Hersteller EHang, bis 2023 sollen es über 300 sein. 

Es geht noch nicht morgen los

Ein bisschen Zeit bleibt allen Parteien noch, um die verbleibenden Fragen zu beantworten und das Potenzial der Lufttaxis so gut wie möglich zu nutzen. Lilium rechnet damit, erst ab 2025 in den kommerziellen Alltagsbetrieb starten zu können.

Nach dem Schwebeflug von Mai gilt es für die Firma in den nächsten Wochen und Monaten erst einmal, Manöver und Vorwärtsflug zu testen. Denn an der Stelle schweben reicht noch nicht für das Abendessen in den Bergen.

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