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Bewegung im Volksschulalter – warum Sitzen zur Herausforderung wird

Kinder haben einen natürlichen Bewegungsdrang. Wer allerdings den Alltag eines Volksschulkindes betrachtet, merkt schnell: Ein Großteil der Zeit wird im Sitzen verbracht. Studien zeigen, dass Kinder heute im Durchschnitt mehrere Stunden täglich stillsitzen und das hat Folgen für Körper und Geist.

Gruppe von Schulkindern machen gemeinsam Sport

Fehlhaltungen, Übergewicht, motorische Defizite oder Konzentrationsprobleme entwickeln sich schleichend, vor allem bei Kindern. Umso wichtiger ist es, Sitzzeiten regelmäßig zu unterbrechen und Bewegung fest im Alltag zu verankern.

Mag.a (FH) Eva-Maria Britzmann, Sportlerin, Trainerin und Projektleiterin in der Bewegungsförderung bei der UNIQA Privatstiftung, betont: „Mit dem Eintritt ins Schulsystem wird der natürliche Bewegungsdrang, den jedes Kind von Geburt an hat, unterdrückt. Das lange Stillsitzen ist für Kinder neu und anstrengend. Deshalb ist es wichtig, Bewegungspausen einzulegen, um die Aufmerksamkeit hochzuhalten und das Lernen zu erleichtern, denn: Kinder sind durch Bewegung konzentrierter.“

Folgen von zu langem Sitzen für Kinder

Unser Körper ist auf Bewegung programmiert. Das wird besonders deutlich, wenn man Kinder im Alltag beobachtet: Nach langem Sitzen am Schreibtisch oder vor dem Bildschirm sinkt die Körperhaltung, und auch die Konzentration lässt nach. Aufgaben fallen schwerer, kleine Frustrationen schlagen schneller auf die Stimmung.

Wie gravierend die Folgen sind, beschreibt Eva-Maria Britzmann: „Langes Sitzen wirkt sich negativ auf Wirbelsäule und Rückenmuskulatur aus, kann zu muskulären Dysbalancen und Verkürzungen führen, steigert das Risiko für Übergewicht und Typ-2-Diabetes und verringert die Aufmerksamkeit. Gleichzeitig hat es kognitive und psychische Auswirkungen. „Bewegung wirkt wie ein natürliches Stimmungsdoping: Sie setzt Glückshormone frei, baut Stress ab und stärkt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.“

Mehr Konzentration durch Bewegung

Körperliche Aktivität tut Kindern gut und wer früh beginnt, profitiert ein Leben lang. Besonders im Volksschulalter werden entscheidende Grundlagen gelegt: „In dieser Phase erwerben Kinder spielerisch motorische Fertigkeiten und Bewegungsmuster, die sie ihr ganzes Leben begleiten. Hüpfen, Springen und Klettern fördern die Knochendichte, stärken Muskeln und Ausdauer und beugen Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor. Gleichzeitig schulen sie Koordination, Gleichgewicht und Körperwahrnehmung“, erklärt Britzmann.

Aber nicht nur die Konzentration wird durch die Bewegung gefördert, auch das Zusammengehörigkeitsgefühl. Gemeinsame Spiele und sportliche Aktivitäten stärken das Wir-Gefühl, bauen Hemmungen ab und fördern Empathie. Kinder erfahren, dass sie Teil einer Gruppe sind, dass Zusammenarbeit zu gemeinsamen Erfolgen führt und dass Regeln und Fairness das Miteinander erleichtern. Die Expertin verdeutlicht: „So trägt Bewegung zur Gesundheit bei, aber auch zu einer stabilen Klassengemeinschaft und einem respektvollen Miteinander.“

Sitzen unterbrechen - im Alltag und in der Schule

Viele Eltern gehen davon aus, dass die Turnstunde in der Schule ausreichend Bewegung bietet. Doch das ist ein Trugschluss. „Mit der Turnstunde wird nicht mal annähernd das Mindestmaß an empfohlener Bewegung erreicht“, sagt Mag.a Britzmann. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt Kindern und Jugendlichen mindestens 60 Minuten Bewegung pro Tag, und zwar mit mittlerer bis höherer Anstrengung.

Gut zu wissen

Die Initiative Tägliche Bewegungseinheit verfolgt genau dieses Ziel: Bewegung soll Teil des Unterrichts sein, nicht nur ein Fach im Stundenplan.


60 Minuten pro Tag summieren sich rasch zu sieben Stunden pro Woche. Dem gegenüber stehen im Volksschulalltag oft nur zwei Turnstunden, manchmal weniger. Damit wird nicht einmal ein Drittel der empfohlenen Zeit abgedeckt. Die Trainerin betont daher: „Kinder und Jugendliche sollen nicht zu lange sitzen und sich zwischendurch immer wieder bewegen. Das sind die Mindestempfehlungen, es darf also auch gerne mehr sein.“

Das Schöne: Bewegung muss weder aufwendig noch kompliziert sein. Schon kleine Routinen wirken nachhaltig. Mag.a Britzmann rät Eltern zu kreativen Ideen: „Beim Zähneputzen auf einem Bein stehen, zwischendurch Hampelmannsprünge machen, Bordsteine zum Balancieren nutzen oder den Lift zum Tabu erklären. Tanzen zu einem Lieblingslied wirkt Wunder und hebt die Stimmung gleich mit.“ 

Weitere Tipps
  1. Kurze Bewegungspausen einbauen: Nach 20–30 Minuten konzentrierter Arbeit reicht schon ein kurzes Aufstehen, Strecken oder Hüpfen.

  2. Bewegung spielerisch integrieren: Hausaufgaben können mit Mini-Pausen aufgelockert werden, z. B. zehn Hampelmänner zwischen zwei Aufgaben.

  3. Aktive Pausen im Klassenzimmer: Schon das Aufstehen, Arme kreisen oder eine Balance-Aufgabe lockern auf.

Unterstützung durch Programme

Im Unterricht können Programme wie Super5 oder Simplikus (Zirkusspaß im Kindergarten) eine wertvolle Unterstützung sein: Sie geben Lehrkräften einfache Werkzeuge an die Hand, um Bewegung unkompliziert in den Schulalltag zu integrieren. Die Initiativen Super5 und Simplikus wurden von Eva-Maria Britzmann gemeinsam mit einem Team aus Pädagog:innen, sportlichem Fachpersonal und dem Schulverein simplystrong by UNIQA entwickelt.

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„Von Pädagog:innen wird heute unglaublich viel verlangt. Vorbereitete Programme geben Struktur und Ideen, wie Bewegung im Klassenzimmer integriert werden kann. Unsere Angebote setzen bewusst nicht im Turnsaal an, sondern direkt im Unterricht. Und wir überlegen immer, wie wir Übungen spaßbetont gestalten können, mit Gamification, Geschichten oder Bezug zum Lehrplan“, erklärt Eva-Maria Britzmann.

Gut zu wissen

Weitere Videos zu Super5 findest du hier.


Ein Blick in die Zukunft – Bewegung als Selbstverständlichkeit

Wie könnte der ideale Schulalltag aussehen? Für die Expertin ist die Antwort eindeutig: „Bewegung sollte kein Projekt, sondern eine Selbstverständlichkeit im Schulalltag sein und auch Eltern sollten ihren Kindern Bewegungsräume ermöglichen, räumlich und auch zeitlich.“ Denn Bewegung im Volksschulalter ist eine grundlegende Notwendigkeit. Jede unterbrochene Sitzphase zählt, jede zusätzliche Minute Aktivität fördert Gesundheit, Lernfreude und Wohlbefinden. 

UNIQA VitalCoach Karin Pauer
© Elsner / riccio.at

Zur Person

Mag.a (FH) Eva-Maria Britzmann ist seit ihrer Kindheit ein echter Bewegungsmensch, sie ist Sportlerin und Trainerin aus Leidenschaft. Nach ihrem Gesundheitsmanagementstudium mit Schwerpunkt Bewegung absolvierte sie zahlreiche Trainerausbildungen. Seit 2008 ist sie in der Bewegungsförderung für Kinder und Erwachsene tätig, entwickelt Programme für den Kindergarten- und Schulalltag und hält regelmäßig Vorträge sowie Workshops an Pädagogischen Hochschulen und Universitäten zum Thema „Bewegung und Lernen“.


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